Was ist Psychodrama?

Was ist Psychodrama

Psychodrama – Eine Einführung

übersetzt von Lothar Schaeffer
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Ein kleines Mädchen fragte seine Mutter: “Was ist das Leben?“ Die Mutter erwiderte “Leben ist, was mit dir geschieht während du aufwächst“.
Psychodrama wurde einmal definiert als Weg, leben zu üben ohne für das Machen von Fehlern bestraft zu werden, also zu üben, erwachsen zu werden indem man/frau es tut. Die Aktion in einer Gruppe ist ein Weg zu beobachten, wie sich das Leben eines Einzelnen entwickelt. Es ist ein Weg zu beobachten, was geschah und was nicht geschah in einer bestimmten Situation. Alle Szenen finden in der Gegenwart statt, selbst wenn eine Person etwas aus der Vergangenheit oder der Zukunft einführen will. Die Gruppe führt ein Stück Leben ein, so als ob der Protagonist oder das Subjekt der Sitzung es in einem Video gesehen hätte. Die Darstellung der Wahrheit durch den Protagonisten kann für diejenigen aufschlussreich sein, die seinen Kampf um den wahrheitsgemäßen Ausdruck reflektierend beob-achten können.J.L. Moreno, der kurz nach 1900 in Wien die Psychodrama-Methode begründete, beschrieb sie als „eine wissenschaftliche Erkundung der Wahrheit mithilfe der Drama-Methode“.
Moreno (1953) hatte bemerkt, dass es bis dahin „Wissenschaft ohne Religion und Religion ohne Wissenschaft“ gab. Er sah in der Kombination den Fortschritt: „Eine realistische therapeutische Methode kann nicht weniger mit einem Objekt auskommen als jeder andere Mensch.
Psychodrama wurde einmal definiert als Weg, leben zu üben ohne für das Machen von Fehlern bestraft zu werden

Psychodrama wurde als eine Methode der Gruppentherapie entwickelt. Moreno hatte ein großes Vertrauen in die Gruppe.Wenn er fragte: „Wer wird überleben?“( „Who Shall Survive?“) denke ich, dass für ihn die Überlebenden diejenigen waren, die ihre Kreativität und Spontaneität sowohl gebrauchen als auch pflegen würden und so in einer Gruppe überleben würden. Er pflegte zu sagen „Wenn Gott jemals zurückkommt wird er als Gruppe zurückkommen“.Eine Gruppe kann viele Dinge erleben:
Wir sind nicht allein.
Wir können uns als normal empfinden.
Wir gehen zurück zu der Konstellation, in die wir hineingeboren wurden, die Familiengruppe.
Die Gruppe kann die Bedeutung der emotionalen Wahrheit teilen.
Die spezifische Form dieses Teilens, für jede Person verschieden, kann befreiend wirken.
Emotional oder physisch gehalten zu werden von einem Gruppenmitglied, das nicht Teil der
Vorgeschichte war, kann therapeutisch wirken.
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Die Bestandteile der Psychodrama-Methode sind:
• der Leiter bzw. die Leiterin
• die Gruppe
• ein Protagonist
• Hilfspersonen, Hilfs -Ichs
• eine Bühne

Der Leiter

In den meisten Therapien ist dies der Therapeut, Förderer oder Gruppenleiter. Der Leiter ist dazu ausgebildet, die Aktion anzuleiten. Er ist der Koproduzent des Dramas, für das er Anhaltspunkte aus seiner Wahrnehmung der Person erhält, die Hilfe sucht. Einige seiner Aufgaben sind:
a) einen genügenden Zusammenhang und ein konstruktives Arbeitsklima zu schaffen
b) die einzelnen Gruppenmitglieder genügend zu stimulieren und für die szenische Handlung
vorzubereiten
c) die Gruppendynamik, die Beurteilungskriterien und die Interaktion bei Sitzungsbeginn zu berücksichtigen
d) die passende Auswahl der Beteiligten durch den Protagonisten zu leiten
e) einen Handlungsvertrag für die Sitzung zu schließen, in der die Vorgehensweise mit dem Protagonisten abgesprochen wird
f) eine therapeutische Verbindung herzustellen
g) den Raum oder die Bühne vorzubereiten für das Psychodrama
h) intervenieren um dem Protagonisten genügend Freiheit zur Fokuswahl der Untersuchung zu geben
i) nonverbale und verbale Botschaften des Protagonisten zu erkennen
j) jede Szene zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zu verankern
k) Hilfspersonen zu helfen ihre Rollen anzunehmen
l) zentrale Aussagen der Handlung zu erkennen und dem Protagonisten zu helfen, der Gruppe eher zu zeigen was passierte als darüber zu sprechen
m) Psychodramatische Techniken wie zum z.B. Rollentausch einzusetzen um die Handlung vom Rand des Problems zu seinem Kern zu führen
n) der Kern des Problems kann eine Katharsis der Gefühle, der Erfahrungen, des Lachens oder der Integration auslösen, die der Leiter bzw. Leiterin in angemessener Weise verstärkt
o) genügende Sicherheit für den Protagonisten und die Gruppe zu schaffen
p) zu garantieren, dass Psychodrama ein Gruppenprozess ist, nicht die Einzeltherapie
in einer Gruppe
q) die Vertraulichkeit in der Gruppe und ihre physische Sicherheit gewährleisten
r) einen passenden Abschluss zu finden, zu dem der Protagonist und die Gruppe ihr eingebrachtes Material integrieren können
s) dem Protagonisten zu helfen, die Bühne zu verlassen und in das Gruppengeschehen
wieder einzutreten
t) das Rollen-Feedback der mitspielenden Gruppenmitglieder einzuholen
u) Katharsis und Integration von Gruppenmitgliedern zu ermöglichen, die sich mit dem Protagonisten identifizieren und ihre eigenen Erfahrungen einzubringen
v) den Protagonisten vor verzerrenden Reaktionen und Analysen der Gruppe zu schützen und jedem Mitglied zu ermöglichen, ähnliche Erfahrungen oder Momente einzubringen, wenn sie in der Sitzung emotional beteiligt sind
w) seine Lebensgeschichte einbeziehen wenn es zweckdienlich ist.

Die Gruppe

Eine Psychodrama-Gruppe sollte 10 bis 15 Teilnehmer umfassen. Ich habe Gruppen von 3 und solche von 400 gesehen. Das emotionale Material in einer großen Gruppe scheint ihre Teilnehmeranzahl überschreiten zu können. Oft haben Teilnehmer das Gefühl, dass die Gruppe kleiner wird und erstaunt sind, dass sie in einer Gruppe von 25 spontan sie selbst sein können.
In einer Gruppe sind viele gesellschaftliche Rollen vertreten. Wenn z.B. der Protagonist ein Alkoholiker ist, können eine Mutter, Geschwister, ein Partner oder ein Therapeut auftreten, die in einem Sharing ihre Sicht einbringen können, wie sie die Situation erlebten. Dieses Feedback von anderen Rollen, die sich auf das dargestellte Problem beziehen, kann eine unschätzbare Erfahrung für den Protagonisten bedeuten. Die soziale Dimension des Problems kann erforscht werden, wenn viele Rollen in der Sitzung repräsentiert sind.
Eines der Merkmale der Psychodramagruppe, die sie von anderen Gruppen unterscheidet ist die Vielfalt von Rollen, die durch jede Einzelperson in der Gruppe repräsentiert sind. Jeder von uns spielt an einem Tag eine erstaunliche Anzahl von Rollen:
Eltern, Sohn oder Tochter, Berufstätiger, Freund, Liebhaber, Bürger, Vorgesetzter, Student/ Schüler, um nicht alle körperlichen Rollen zu erwähnen wie z.B. schlafen, essen, weinen.Abgesehen von den vielen Rollen, die wir in unserem Leben spielen, kann es sein, dass wir gebeten werden, in der Gruppe die Rolle eines Anderen zu spielen – eine sterbende Mutter zum Beispiel. Wenn die Person, die ausgewählt wurde, die sterbende Mutter zu spielen, davor als Sündenbock der Gruppe galt, kann sich die Rollenstruktur in der Psychodramagruppe drastisch ändern, indem sie eine positive Verbindung zwischen dem Protagonisten und der Person, die die sterbende Mutter spielt, ermöglicht, eine Verbindung, die vorher nicht bestand. Dieser andauernde Wechsel der Rollenstruktur in einer Gruppe verhindert die Verfestigung von Rollen wie sie in anderen Gruppen passieren kann. Das Rollen-Repertoire wird durch jedes Gruppenmitglied erweitert, dass eine weitere, andere Rolle spielt als die, für die sie in der Gruppe stand. Ein Gruppenmitglied mit geringem Selbstbewusstsein kann sich in eine mutige Rolle steigern, sich selbst und die Gruppe damit überraschen wie es sich von verhinderter Kreativität und erlerntem Problem- verhalten befreit. Dieser Augenblick des Mutes motiviert den Spieler, mehr zu wagen, und ermutigt Gruppenmitglieder, ähnliches zu tun.

Der Protagonist

Ich arbeitete immer in einem Theater an der Ecke 78.Str./Broadway in New York, dem Moreno Institut. Jeden Abend war dort ein offener Zuhörerkreis, eine runde Holzbühne und ein Dramaleiter.
Ein Professor, eine Hausfrau oder ein Tischler z.B. saßen vorn, in der Mitte oder hinten auf der Bühne als Subjekt der Psychodrama-Sitzung, das ausgewählt worden war.
Alle Menschen haben Probleme. Normosis ist ein von Moreno geprägter Begriff. Es steht für den Kampf, normal zu sein und verwirrt das Beste in uns. Ursprünglich für psychotische Personen gedacht, hat sich Psychodrama inzwischen zu einer Gruppentherapie für jeden entwickelt.
Der Protagonist, als Erster in Aktion, ist eine repräsentative Stimme der Gruppe, durch die die anderen Gruppenmitglieder ihre therapeutische Arbeit tun können. Der Protagonist stellt eine Lebenssituation dar, die er/sie bearbeiten möchte: meine Angst vor dem Tod, meine Verhältnis zu meiner Tochter, mein Autoritätsproblem am Arbeitsplatz. Der Leiter ver-sucht mit dem Protagonisten, Szenen zu schaffen, die jetzige Beispiele für das Problem sind um die möglichen Verhaltensweisen zu betrachten. Das Ziel ist, die Ursachen des Problems, wie es sich heute und früher zeigte, zu erkennen, so dass zukünftiges Verhalten situationsadäquater sein kann. Die gewünschte „Spontaneität“ ist bestimmt als neue Antwort auf eine alte Situation oder eine adäquate Antwort auf eine neue Situation.
Die Idee, kein fertiges Skript mehr zu nutzen, war ausschlaggebend für das Konzept des Psychodrama als Aktionsmethode. Der Protagonist hat die Chance, sein „Lebensskript“ zu durchdenken, das ihm/ihr in guter Absicht ausgehändigt wurde, aber nicht den jetzigen Lebensanforderungen entspricht. Eine Person, der im Skript verboten wurde, zu weinen oder schreien, kann merken, dass das in der heutigen Situation nicht mehr sinnvoll ist.
Wer nie um den Verlust eines Elternteils getrau- ert hat, weil er „tapfer“ war, kann die Erleichte-rung fühlen, weinen zu können entsprechend einer neuen Definition des Tapferseins – jemand, der den Mut hat, zu sehen, was in ihm vorgeht. Der Mut, sich Selbst zu sein, gehörte vielleicht nicht zu den Verhaltensweisen dieses Elternteils, aber in dieser neuen Familiengruppe kann vielleicht ein neues Klima für eine Selbst-entfaltung entstehen, die schon lange in der Person schlummerte.Das Hilfs-Ich
In meiner ersten Gruppe war eine Psychia- trieschwester, für die ich sofort eine Abneigung empfand. Als sie Protagonist war, sollte sie jemanden aus der Gruppe auswählen, der ihre inneren Gedankengänge verstehen konnte und ihr helfen konnte, auszudrücken wozu sie selbst nicht fähig war. Sie wählte mich als ihr Doppel. Ich war erstaunt über ihre Wahl, aber ich fand, als ich neben ihr stand und wir als Team daran arbeiteten, ihre innere Wahrheit zu entdecken, dass ich sie sehr gut verstehen konnte, und die Abneigung verschwand damit. Sie zeigte mir damit auch, wie viel von mir in ihr steckte und das Personen, die wir ablehnen, normalerweise Verhaltensweisen zeigen, die unseren nahe kommen; deshalb lehnen wir sie auch ab, weil wir mit ihnen in uns selbst nicht umgehen können.
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Wer nie um den Verlust eines Eltern-teils getrauert hat, weil er „tapfer“ war, kann die Erleichterung fühlen, weinen zu können entsprechend einer neuen Definition des Tapferseins.
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Das Hilfs-Ich ist jeder in der Gruppe, der eine Rolle spielt, die eine wichtige andere Seite der Persönlichkeit des Protagonisten repräsentiert. Die Rolle kann eine externe Person repräsentie-ren, wie z.B. ein Familienmitglied oder einen Arbeitskollegen. Es kann eine interne Rolle sein wie das Ängstliche Ich,das Kindliche Ich oder die Innere Stimme wie sie in der Rolle des Doppels (double) dargestellt wird.
Das Doppel hilft auszudrücken, was sonst nicht ausgedrückt wird, mit oder ohne Worte. Weil Moreno fühlte, dass der beste Weg zur Psyche nicht über Worte, sondern über eine nonverbale Ausdrucksweise führt, mit der das Hilfs-Ich durch Gesten, Körperhaltung oder–abstand die unaus-gesprochenen Geheimnisse des Protagonisten
ausdrücken kann. Ich war einmal Doppel für einen Mann in einem normalen Tischgespräch mit seiner zwanzigjährigen Frau. Er sagte ihr, dass er Leber nicht mag und ballte dabei seine Faust als er sprach. Als sein Doppel ballte ich
ebenfalls die Faust und ging dabei einen Schritt
weiter. Ich schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte: „Ich habe genug davon, nicht verstanden zu werden, ich will die Scheidung.“ Er sah mich schockiert an und sagte zu ihr: „Ich auch!“ Die nonverbale Geste hatte die Wahrheit gezeigt, nicht seine Worte. Sein Körper enthüllte die Wahrheit während seine Worte sie verdeckten. Dann konnte er seine aktuellen Gefühle ausdrücken.
Das Hilfs-Ich , dass z.B. einen sterbenden Eltern-teil spielt, kann seine Arme ausstrecken um dem Protagonisten Adieu zu sagen der in einem Netz nicht ausgedrückter Gefühle gefangen ist. Diese ausgestreckten Arme können Jahre nicht ausge-drückter Liebe repräsentieren. Wenn der Prota-gonist Rollen tauscht und fähig ist, zu sagen oder zu zeigen, was in all den Jahren nicht gesagt wurde, kann der Rollentausch Spontaneität befreien, die in
seiner Rolle als Sohn gehemmt oder blockiert war. Oft sind Personen spontaner in der Rolle eines anderen als in ihrer eigenen Rolle. Rollentausch ist der Motor, der Psychodrama antreibt. Die Rolle eines bestimmten anderen in der Gruppe wird von dem Protagonisten vorgegeben und dann von einem Gruppenmitglied übernommen. Durch entscheiden-de Rollentausche erlebt der Protagonist die Verlegung der Rollengrenzen indem er eine andere Person spielt. Die Person des Hilfs-Ich agiert in der festgelegten Rolle und handelt so, wie sie es sich von der gespielten Person vorstellt. Die Rolle wird gespielt, wie sie sich der Protagonist vorstellt.

Bühne

Psychodrama basiert auf dem Leben selbst. Der Raum einer Person wird auf der Bühne abgebildet. Wenn ein Gespräch in der Küche stattfindet, stellen wir Tisch und Stühle auf und geben Fenster, Abwaschbecken, Tür, Kühlschrank usw. einen imaginären Platz.
Die Konstruktion des persönlichen Umfeldes hilft der Person, sich wirklich dort zu fühlen und macht es möglich, die Gefühle aufzurufen, die sie in diesem Raum hat oder nicht hat. Wenn sich jemand an ein Tischgespräch in seiner Kindheit erinnert, ist es wichtig, dass die dazugehörigen Personen von Gruppenmitgliedern gespielt werden. Auf diese Weise können wir oft mehr über den Lebensraum einer Person erfahren als durch monatelange Interviews.
Ich wurde einmal eingeladen in das imaginäre Apartment eines jungen Mannes. Er trat ein und hob dabei die Füße ungewöhnlich, als wenn er vorsichtig auf Zehenspitzen gehen würde. Ich fragte warum. Er sagte: „Ich werfe meine alten Milchtüten auf den Boden, sie liegen überall rum.“
Das sprach für Isolation, wenige Besucher, wenig Achtung auf Gestank und Anblick. Ein wichtiger Hinweis auf seine Entfremdung war sein Lebensraum. Unsere Aufgabe war es zu betrachten, warum er keine Freunde hatte und Einsiedler geworden war.
Seine bisherige Worte straften die Realität Lügen, aber die „Bühne“, auf der er lebte, vermittelte uns die richtige Realität.

Phasen des Psychodrama

Jedes Psychodrama hat drei Phasen:
Die Anwärmung – Warm-up
Spielhandlung – Enactment
Nachbereitungsgespräch – Sharing

Die Anwärmung – das Warm-up

Das Warm-up dient dazu, eine kreative Atmosphäre zu schaffen. Die erste Phase schafft einen sicheren Raum, in dem die Person Ver-trauen zum Leiter, der Gruppe und der Methode aufbauen kann. Wenn der Raum dich umarmt ist es möglich, das zu sein, was du dachtest nicht sein zu können, das auszudrücken, was auszudrücken unmöglich schien.
Es gibt viele Möglichkeiten des warm-up in einer Gruppe. Moreno machte es mit der „Begegnung“, in der Gruppenmitglieder sich begegnen und einfach miteinander sprechen. Eine Person, die ein Thema hatte, wurde von der Gruppe als Protagonist akzeptiert. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Leiter den Protagonisten bestimmt; einen/eine von dem/der er annimmt, dass er/sie dazu bereit ist. Eine weitere Alterna-tive ist, durch eine kreative Gruppenübung das Sitzungssubjekt zu bestimmen. Das wird als Protagonistenzentriertes warm-up bezeichnet.
Im Selbstbenennungs-(self-nomination) warm-up können sich die Personen selbst als Subjekt an-bieten. Diese Protagonistenauswahl aus dem warm-up ist möglich,weil die Personen durch das warm-up leichter der Gruppe vertrauen können, den Zusammenhang und die Sicherheit in der Gruppe fühlen und ihre Probleme in einer Atmosphäre der Liebe, Fürsorge und Kreativität dar-stellen können.

Die Spielhandlung – Enactment

In diesem Teil des Psychodrama treiben Leiter und Protagonist die Offenlegung des Problems von der Peripherie zum Kern voran. Psycho-drama bedeutet wörtlich Aktion oder Arbeit der Psyche. Es bringt das interne Drama nach aus-sen, so dass das innere Drama als äußeres Drama sichtbar wird.
Der Leiter setzt die Gruppenmitglieder ein als Hilfs-Ichs, die wichtige Personen in dem Drama spielen. Die ursprüngliche Bühne war aufgeteilt in drei konzentrischen Kreisen. Den ersten Kreis bildeten die Zuhörer, der zweite war für das Selbstgespräch außerhalb des eigentlichen Dramas reserviert, im dritten Kreis wurde das Drama selbst nachgespielt. Das sollte der Dramaarbeit von der Peripherie zum Kern des Problems entsprechen. In den meisten Psycho-dramasitzungen findet das Nachspielen in einem bestimmten Bühnenbereich statt. Während der Sitzung sitzen andere Gruppenmitglieder nicht in
diesem Bereich, es sei denn, sie spielen eine Rolle.
Die Bühne wirkt wie ein ritualisierter Bereich sobald das Drama beginnt. Damit ist gemeint, dass das Ereignis, das in diesem Bereich dargestellt werden soll, nur in diesem Bereich geschieht. Psychodrama, das in einem nicht genau bezeichneten Bühnenbereich stattfindet, gelingt oft deshalb nicht, weil ihm die räumlichen und methodischen Grenzen fehlen.

Das Nachbereitungsgespräch – Sharing

Wie in dem Teil über den Leiter beschrieben ist Sharing eine Zeit für Gruppen-Katharsis und -Inte-gration.Es war mehr gemeint als ein warmer Rück-
Blick denn als ein Feedback, die Analyse zurück-drängend und die Identifikationen bestärkend. Momente der größten Beteiligung von Gruppen-mitgliedern werden festgestellt und jedes Mitglied findet heraus, wie sehr er oder sie dem Protagonis-ten ähnelt. Oft wird der Zuschauer wie im grie-chischen Drama geläutert wenn er das Nachspielen der Lebensgeschichte eines anderen zuschaut. Das Sharing soll diesen Lernprozess aufgreifen und den Gruppenmitgliedern erlauben, sich über ihre Gefühle und gewonnenen Einsichten klar zu werden. Damit ist auch beabsichtigt, dass der Protagonist seine Erfahrungen überprüft indem er hört, wie andere in ähnlicher Situation auf den verschiedenen Prozessebenen agieren. Manchmal kann die Effektivität der gesamten Sitzung gemessen werden an den Tiefe des Sharing-Prozesses. Eine weitere Funktion des Sharing ist die des Austretens (cool-down) aus dem Prozess des Nachspielens auf der Bühne, und des Wiedereintretens in die individuelle Realität.
Psychodrama bringt das interne Drama nach außen, so dass das innere Drama als äußeres Drama sichtbar wird. 
Teil der Leiterausbildung ist das Processing (Prozessentwicklung). Hier werden klare rationale theoretische Prämissen und Abkommen als Teil der Leitung diskutiert. Die technischen Aspekte werden von Leiter, Trainer und Gruppenmitgliedern überprüft: wie der Leiter von Szene zu Szene begleitete, wie bestimmte Aspekte verbessert werden können, was gewirkt hat und was nicht und was anders gemacht werden kann werden allgemein diskutiert. Das Feedback für den Auszubildenden (Trainee) und die Einschätzung der Kollegen ist von unschätzbarem Wert.


Stärke und Vorsichtsmaßregeln

Es gibt viele Vorsichtsmaßregeln für die Anwen-dung des Psychodrama und die einzelnen Techniken. Zunächst ist es wichtig, einen Grund für die Nutzung einer bestimmten Technik zu haben. Die Nutzung einer Technik ohne Zweck und Vorbedacht kann gefährlich für den Protagonisten sein.
Einige Techniken können zu übermächtig für eine bestimmte Person sein, einige zu esoterisch und einige zu beängstigend. Es ist wichtig, auf die Offenheit zu achten, mit der die Person die Techniken nutzen kann. Genauso wichtig und schwierig ist es, den notwendigen Abschluss
herbeizuführen, wobei der Psychodramatiker vorsichtig sein muss, nicht ein Fantasie-Happyend der Sitzung zu wollen, wenn die reelle Basis dafür nicht gegeben ist.
Es gibt Szenen, die in ihrem Nachspielen eine große Sensibilität erfordern. Wir werden täglich konfrontiert mit Begebenheiten wie Abtreibung, Vergewaltigung, Inzest und sexueller Belästi-gung. Bei der Bestimmung dessen, was für den Protagonisten notwendig ist und ihn gleichzeitig dabei zu schützen, müssen wir Fürsorge und Diskretion walten lassen (Goldman und Morrison, 1984).


Ausbildung 

Die Psychodrama Ausbildung ist eine postgra-duale Weiterbildung für Psychosoziale Berufe. Sie dauert normalerweise mindestens zwei bis drei Jahre nach einer ersten Berufsausbildung. Psychodramatiker müssen sowohl Therapie als auch Supervision machen und werden von einem Hauptausbilder begleitet, der ihre klinische und theoretische Ausbildung verfolgt.
Weil Psychodrama eine tiefgreifende therapeutische Methode ist, sollten nur in ihr Ausgebildete sie auch nutzen.


Effektivität

Eine große Anzahl an Literatur wurde publiziert zu therapeutischen Faktoren in der Gruppen-Psychotherapie (Bloch und Crouch, 1985). 1995 sahen Corsini und Rosenburg mehr als 300 Artikel zum Thema Gruppen-Psychotherapie durch und diskutierten sie unter emotionalen, kognitiven und Aktivitäts-Gesichtspunkten.
Yalom (1975) stellte fest, dass interpersonales Lernen, Gruppenzusammenhalt und Einsicht den größten Wert für die Subjekte des Psychodrama darstellten.
Peter Felix Kellermann (1992) beobachtete in zwei Studien, dass Einsicht, Katharsis und zwischenmenschliche Beziehungen zentrale Faktoren der psychodramatischen Gruppen-Psy-chotherapie sind.
Grete Leutz, eine deutsche Psychodramatikerin, behauptet, dass ein greifbar, konkret und anschaubar gemachter Konflikt ihn auch über-flüssig macht und so die Person verändern kann
(Leutz, 1985). Auf diese Weise einen unbewussten Prozess bewusst zu machen hilft der Person, Kontrolle über ihr Verhalten zu erlangen.
Kellermann (1992) entwickelte folgendes Modell, das die Aspekte des Psychodrama zeigt, die den therapeutischen Prozess fördern.
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Therapeutische Aspekte im Psychodrama
THERAPEUTISCHE
FÄHIGKEIT
EMOTIONAL
KOGNITIV
Katharsis
Innere Aktion
WIDERSTAND
INTERPERSONAL
RAUMGEBEND
verbinden
als-ob
VERHALTENS-
ORIENTIERT
ALLGEMEIN
ausarbeitenMagie

Der Erfolg des Psychodrama

Einige Fachleute, die noch keine lange Erfahrung mit Psychodrama haben, schrecken vor dieser Methode zurück. Viele überdramatisieren den Prozess und betonen die möglichen Gefahren. Andere übertreiben seinen Wert in einer naiven, oberflächlichen Weise, die die elementarsten Regeln der Sozialpsychologie verletzt. Beide Gruppen kennen nicht die neueren Ergebnisse wissen-schaftlicher Untersuchungen des therapeutischen Potentials des Psychodrama.
Kontrollierte Studien haben ergeben, dass, durch-geführt von ausgebildeten Fachleuten mit dem Be-wusstsein seiner Grenzen, Psychodrama einen eigenen Beitrag liefern kann oder eine Ergänzung zu vielen Psychotherapie-Richtungen darstellen kann, seien sie verhaltensorientiert, psychoanalytisch oder individualpsychologisch (Kellermann, 1992).

Wer kann es nutzen?

Psychodrama kann verschiedensten Personen helfen aus unterschiedlichen Schichten, mit unter-schiedlichen individuellen und sozialen Problem-bereichen und Verhaltensstörungen.
„Psychodrama kann dem normalen Klienten helfen, aktuelle Konflikte zu lösen, dem neurotischen Klient, verborgene Kindheitskonflikte zu enthüllen, dem Psychotiker den Realitätsbezug wieder zu erlangen durch konkrete Aktion, und der narzissti-schen oder Borderline-Person durch Abtrennung und Einswerdung“ (Leutz, 1985). Leutz, Karp und andere haben Psychodrama erfolgreich genutzt mit Personen, die psychosomatische Störungen hatten.Psychodrama kann nur denen helfen, die dazu befähigt und motiviert sind. Die Fähigkeit, am imaginären Prozess des Rollenspiels teilzu-nehmen ohne den Bezug zur Realität zu verlieren, ist vermutlich eine minimale
Voraussetzung für die Teilnahme. Außerdem müssen Teilnehmer fähig sein:
– Gefühlsaufwallungen erleben zu können ohne die Beherrschung zu verlieren
– Beziehungen herzustellen
– minimale Toleranz für Angst und Frustration
– offen zu sein für psychologische Methoden
– sich lernend rückentwickeln können (adaptive regression) (Kellermann, 1992)
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Ich habe Psychodrama genutzt in Einzel- und Paartherapie. Eine Einzelsitzung hat nomraler-weise begrenzte Ziele und ist fokussiert auf ein spezifisches konkretes Problem. Psychodrama kann deshalb charakterisiert werden als Methode einer Kurz-Psychotherapie, die viele charakteristische Details mit der krisenorientierten und –fokussierten Therapie teilt.Maria Karp ist Stellvertr. Ausbildungsleiterin an dem Holwell Centre for Psychodrama and Sociodrama.

Korrespondenzadresse:
Holwell International Centre for Psychodrama and Sociodrama, East Down, Barnstaple, N.Devon, EX31 4NZ
http://www.marciakarp.org/

Literaturhinweise

Bloch, S. and Crouch E. (1985) Therapeutic Factors; in Group Psychotherapy, Oxford: OUP.
Corsini, R. and Rosenburg, B. (1955) ‘Mechanisms of Group Psychotherapy Processes and Dynamics’, Journal of Abnormal and Social Psychology.
Goldman, E. and Morrison, D. (1984) Psychodrama: Experience and Process, Kendall Hunt.
Karp, M., Holmes, P. and Watson, M. (1994) Psychodrama Since Moreno, Routledge.
Karp, M. and Holmes, P. (1992) Psychodrama: Inspiration and Technique, Routledge.
Kellermann P. F. (1992) Focus on Psychodrama, London: Jessica Kingsley.
Leutz, G. (1985) ‘What is Effective in Psychodrama?’ Mettre sa vie en Scene, Paris.
Leveton, E. (1979) Psychodrama for the Timid Clinicians, New York: Springer.
Moreno, J.L. (1953) Who shall survive? New York: Beacon House.